Der Watschenbaum

Horst Seehofer hat sich kürzlich urbayrisch als solchen bezeichnet, darf aber kaum mit Mitleid rechnen. Vielmehr hat er maßgeblich dazu beigetragen, Flüchtlinge in Deutschland zu einem solchen zu machen, als rechts-populistische Fußabtreter, die für jede Polemik und politische Intrige als Sündenbock herhalten müssen. In der CSU scheint man inzwischen aber begriffen zu haben, dass der Rechtspopulismus, Rassismus und insb. die Flüchtlingsaversion nicht zu den gewünschten Zielen führt. Im Gegenteil, die CSU hat schmerzlich erfahren, dass Sie zwischen den rechtsradikalen auf der einen und den wertorientierten, demokratischen Lagern auf der anderen Seite aufgerieben wurde.

 

Dennoch hat der Rechtpopulismus in der jüngsten Vergangenheit eine geradezu kometenhafte Entwicklung hinter sich. Mit Hilfe von im Internet basierten Fake-News Kanälen ist es gelungen, eine Öffentlichkeit zu schaffen, die auch bis dato als seriös geltende Medien erfasst hat und auch weit in den bislang als wertkonservativ bezeich-neten politischen Bereich hinein reicht.

 

So hat Jens Spahn bei seiner Bewerbung um den CDU-Vorsitz nach den ersten, wenig erfolgversprechenden Prognosen, nichts Eiligeres zu tun gehabt, als die Migrations- und Flüchtlingskarte zu ziehen. Ohne Argumente stellt er den UNO-Migrationspakt in Frage, weil er wohl von rechts außen hat läuten hören, dass dadurch Migrantenschwemmen auf Deutschland zukommen würden. Annegret Kramp-Karrenbauer, im  gleichen parteiinternen Wahlkampf unterwegs, hält ebenfalls die Aufarbeitung der Flüchtlingspolitik für eine zentrale Thematik bei der Erneuerung der CDU. Als kleine Alibi-Verlautbarung hat sie sich in diesem Zusammenhang die Abschiebung krimineller Syrer ausgesucht, was z.Zt. nicht einmal Horst Seehofer fordert. Und um den innerparteilichen Wahlkampf auf die Spitze zu treiben, stellt der Angehörige der oberen Mittelschicht, der Millionär Friedrich Merz, gleich das Asylrecht generell in Frage. Als Zugeständnis an den rechten Rand sicher tauglich, im noch als demokratisch zu bezeichnenden Parteienspektrum allerdings eher abwegig.

 

Dennoch ist es mit gesteigertem Unwohlsein zu beobachten, wie diejenigen etablierten Parteien, die sich bei ihrer Gründung christlich nannten, immer tiefer in den rechtspopulistischen Sog eintauchen. Hemmschwellen sind kaum noch zu beobachten. Einem Strategen wie Merz kann man Äußerungen zur Änderung des Grundgesetzes und Abschaffung eines, wie kein anderes, historisch als Lehre der Nazizeit entstandenem Grundrechts auf Asyl, nicht als Ausrutscher gutschreiben. Allenfalls die Wirkung war falsch eingeschätzt, da sich immer noch genügend Menschen an historische Zusammen-hänge erinnern können und die Geschichtsverleugnung nur partiell Spuren hinterlassen hat.

 

Die Kriminalisierung der Flüchtlinge, die sich in Kriminalstatistiken nicht ablesen lässt (siehe Blogbeitrag vom 23.09.2018), aber in den Medien weit verbreitet ist, hat in der Öffentlichkeit den Eindruck erzeugt, Flüchtlinge seinen grundlegen kriminell veranlagt und würden überwiegend aus kriminellen, zumindest aber unlauteren Motiven, nach Deutschland einreisen.

 

Die häusliche Gewalt scheint durch die Medienberichterstattung ebenfalls zu einem Migrantenthema geworden zu sein. Eine kürzlich veröffentlichte Statistik, die bei häuslicher Gewalt mit Todesfolge eine Beteiligung deutscher Täter von 68 % ausweist, löst bei unserer Familienministerin Franziska Giffey Verwunderung aus. Sie habe auf-grund der Medienberichterstattung einen höheren Ausländeranteil erwartet.

 

Die Existenz von Schein- und Parallelwelten in der Flüchtlings- und Ausländerthematik wird in der nahen Zukunft ein Thema bleiben, dafür werden die überhand nehmenden Populisten in Politik und Gesellschaft und die damit einher gehende Salonfähigkeit von Rassismus sorgen. Für die demokratisch verankerten Menschen in unserem Lande reicht es aber inzwischen nicht mehr, nur wachsam zu sein, sondern bei jeder sich bietenden Gelegenheit dagegen zu halten. Es darf nicht sein, dass Politiker, wie in den USA, zur besten Sendezeit schlichtweg Lügen über Medienkanäle in die Welt verbreiten können und diese unwidersprochen bleiben. Es ist unsere Aufgabe, den Widerspruch zu organisieren und hörbar zu machen.

Frank Schöler