Letzter Anker Ankerzentrum

Die zunehmende Unfähigkeit von Politik und Verwaltung, sich mit dem Thema Asyl und Flüchtlinge sachgerecht und vor allem im Geiste der Verfassung auseinander zu setzen, hat ein neues Ventil gefunden: das Ankerzentrum. Die Kasernierung von Asylsuchenden in großen Lagern hat laut dem bayerischen Ministerpräsidenten Söder allerdings den Sinn, Flüchtlinge gar nicht erst ins Land zu lassen, sondern diese so schnell wie möglich wieder los zu werden. Anker steht für Ankunft, Entscheidung, Rückführung, die ablehnende Asylentscheidung gehört also schon zum Konzept. Das „I“ für Integration hätte das schöne Akronym natürlich verdorben, wenngleich dies wohl eher ein weniger wichtiger Grund ist, die Programmatik auf Rückführung auszurichten.

 

Nachdem sich das BAMF als wachsweiches Instrument zur willkürlichen Abwicklung von Asylanträgen quasi selbst entlarvt hat, haben die forschen Abschiebepolitiker auch keinerlei Hemmungen mehr, die Ablehnung der Asylanträge als immanenten Leistungsauftrag in die sog. Ankerzentren gleich mit zu implantieren. Wenn alle tätigen Institutionen im Ankerzentrum unter einem Dach sitzen, kann der Ablehnungsstempel auch gleich bei den Aufnahmeformalitäten mit in die Papiere gestanzt werden. Das ca. 50 % der Kläger gegen Asylbescheide vor deutschen Gerichten Recht bekommen, ist Beleg dafür, dass die unbegründete Ablehnung immer schon zum Repertoire des BAMF gehörte. Die Erkenntnisse der letzten Wochen über willkürliche Bewilligungen zeigen, dass es scheinbar nur wenige reguläre Entscheidungen des BAMF gegeben hat, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Das produziert bei Söder die Schlussfolgerung, diesen Teil des Prozesses gleich ganz auszublenden und per Dekret zu regeln. Und für die Flugverkehrswirtschaft fällt auch noch was ab, der Rücktransport per Charterflugzeug. Schnell gelernt: aus der soeben noch vom Parteigenossen Dobrindt kritisierten „Anti-Abschiebe-Industrie“, die nach seiner Auffassung aus willfährigen Hilfsorganisationen und geschäftstüchtigen Anwälten besteht, wird nun die politisch legalisierte „Abschiebe-Industrie“, und schon steht der Rechtsstaat wieder fest mit beiden Füßen auf der zur Scheibe verformten, rechtspopulistischen Erde.

 

Apropos Rechtsstaat: „Wir wollen zeigen, dass der Rechtsstaat noch funktioniert“, tönt der bayerische Ministerpräsident. Damit meint er aber sicher nicht den Rechtsstaat, der irgendetwas mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu tun hat, in der u.a. auch von Menschenrechten und Menschenwürde die Rede ist. Er meint natürlich den Rechts-Staat und den Versuch der CSU, bei den Landtagswahlen möglichst viele AfD-affine Bürger noch zu CSU-Wählern umzupolen. Und das Ankerzentrum, das in Form und Inhalt den ein oder anderen, in Herrenrasse geschwängerten und in Rassenhygiene romantisierenden Rechtspopulisten an ein Konzentrationslager erinnern könnte, ist durchaus ein probates Überzeugungsmodell.

 

Obwohl die Kasernierung von Flüchtlingen in abgeschiedenen und abgeschlossenen Massenunterkünften von verschiedenen Seiten mit zahlreichen Argumenten kritisiert wird, ist natürlich der Aspekt des Mürbekochens von Flüchtlingen und die damit erhoffte steigende Bereitschaft zum Rückzug, als Strategie der Asylabwehr nicht von der Hand zu weisen. Auch in unserer kleinen Gemeinde, die weit entfernt von Ankerzentren ist, werden auch nach Schließung der als Straflager fungierenden Turnhalle Am Hang in den Sammelunterkünften immer wieder Versuche mit Überbelegung, Besuchsverboten oder restriktiver medizinischer Versorgung unternommen. Als flankierende Maßnahme werden Flüchtlingshelfer durch Parkverbote mit dazu gehörender Kameraüberwachung und martialischen Securityzugriffen schikaniert.

 

Der Anker ist ausgeworfen, unsere Aufgabe ist es, das schlingernde Schiff Rechtsstaat am Stillstand zu hindern und wieder auf freiheitlich-demokratischen Kurs zu bringen. 

Frank Schöler