Abschiebung inbegriffen – die neuen Asyldoktrien der EU

Den großen Wurf hatte keiner erwartet, dazu ist die EU zu flügellahm und ablehnende Haltungen gegen Flüchtlinge in einigen Ländern nicht verhandelbar. Ein paar Schritte zur Seite, ein paar leere Phrasen, letztlich wird sich im Ergebnis nicht viel ändern. Es werden weiter Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, diejenigen, die nicht ertrinken, werden weiterhin in Griechenland und Italien ankommen und dort unter unzumutbaren Bedingungen eingelagert werden. 

 

Die Idee, Asylanträge am Ankunftsort in Schnellverfahren zu prüfen, ist nicht neu und konnte schon 2015, 2016 und 2017 nicht umgesetzt werden. Danach hat man es erst gar nicht mehr versucht. Nun will man das tote Pferd wieder satteln, aber zum laufen wird man es wohl auch diesmal nicht bewegen können. Solange es keine durchschlagend neuen Verfahren gibt, werden Italien und Griechenland alles unternehmen, um die Ankunft von Flüchtlingen auf dem Seeweg zu verhindern. Und der Landweg wird von den osteuropäischen Mitgliedsstaaten blockiert.

 

Um die Machtlosigkeit der EU gegen die Totalverweigerer zu kaschieren, gibt es nun die „Abschiebe-Patenschaft“, ein Konstrukt, dass sich auch ein Science-Fiction-Autor kaum hätte ausdenken können, die EU aber hat es geschafft. Flüchtlinge, deren Asylanträge zukünftig in den Ankunftslagern abgelehnt oder als aussichtslos betrachtet werden, werden dann nicht direkt abgeschoben, sondern in ein Land wie Ungarn verfrachtet, das dann die Abschiebung übernehmen soll. Wenn die Abschiebung nicht gelingt, bleibt der Flüchtling dort. Über die Unterbringung und Behandlung im Abschiebe-Patenland kann man jetzt schon spekulieren. Verfahrensweisen, auch zu den Prüfungsverfahren, fehlen in den neuen Plänen fast vollständig.

 

Frau von der Leyen nennt die neue Variante ein „neues Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität“, de facto ist es eine Aushebelung und Verhöhung von geltendem Asylrecht, zumal der aktuelle Aktionismus einzig vom Brand des Lagers in Moria ausgelöst wurde. Im bald neu aufgebauten Lager auf Lesbos soll quasi ein Pilotprojekt starten, mit schnellen Asylverfahren. Wer hat denn die EU bisher daran gehindert, dies zu tun ? Letzten Endes ist die neue Strategie ein Einknicken vor den Verweigerern, wobei zuweilen kaum mehr zu erkennen ist, wer eigentlich nicht zu diesen gehört. Wenn unser Heimatminister Horst Seehofer plötzlich der Vorreiter der Flüchtlingsversteher ist, kann man sich den Rest schon denken. Die Themen Abschreckung und Rückführung werden jedenfalls deutlich konkreter geplant und formuliert als die Aufnahme von Flüchtlingen. Die Themen Recht auf Asyl und Schutz von Kriegsflüchtlingen, Menschenrechte und Menschenwürde dagegen verschwimmen zur Unkenntlichkeit.

 

Mit Despoten wie Erdogan wird man auch zukünftig paktieren wollen, die Situation in rechtsfreien Durchflussstaaten wie Lybien wird sich nicht ändern. Dabei ist die zu lösende Problematik in einfachen Strukturen zu sehen und mit einfachen, vorhandenen Mitteln und Verfahren zu bearbeiten. Der Philosoph Markus Gabriel bring es auf einen ebenso einfachen Nenner: „Das sind einfach Leute, die Rechte haben, und dazu gehört auch das Recht, ein Arschloch zu sein, man muss sie weder mögen noch willkommen heißen, sondern ihnen ihre Rechte und unsere Unterstützung geben – einfach nur, weil sie auch Leute sind wie du und ich, nur aus Syrien oder Pakistan.“ (zit. aus taz, 26./27. September, S. 22)

 

Die neue EU- Verfahrensweise bleibt mutlos und verliert die eigentlichen Prämissen weiter aus dem Blick. Das Asylrecht hat keine Bedeutung mehr in der Europapolitik. Es geht darum, Migrationsströme zu unterbinden, koste es was es wolle.

 

Frank Schöler