Bleiben schwer gemacht

 

Der in NRW für Flüchtlinge zuständige Minister Stamp weist darauf hin, dass „immer mehr gut integrierte Ausländer eine sichere Bleibeperspektive erhalten haben“ (aus dem Bericht an den Integrationsausschuss vom 17.03.2021). 

  

Dies ergibt sich aus dem §25b des Aufenthaltsgesetzes oder §25a für Jugendliche. Viele Flüchtlinge der ersten Welle, die inzwischen schon im sechsten Jahr in Deutschland geduldet sind, können hiervon profitieren. Sie sollen ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst erwirtschaften, Deutschkenntnisse nachweisen, bzw. bei Jugendlichen eine erfolgreiche Schullaufbahn vorweisen können.

 

Der Flüchtlingsrat weist nun zurecht darauf hin, dass die Gewährung dieser Vorzüge in der Praxis erheblich von der Einstellung der jeweiligen Ausländerbehörde abhängig ist. Das erleben wir auch im Kreis Mettmann. Anträge werden grundsätzlich schleppend oder über einen längeren Zeitraum gar nicht bearbeitet. Bei Beschwerde über den langsamen Verlauf werden Dokumente nachgefordert, die zwar vorliegen, aber aufgrund der durch die Behörde verursachten Verzögerung nicht mehr aktuell sind. Nach Einreichen der aktuellen Dokumente beginnt das Spiel von vorn.

 

Dabei erweist sich die Behörde als äußerst schmerzresistent. Auch die Androhung einer Untätigkeitsklage durch Anwälte kann kaum zur Beschleunigung beitragen. Die Behörde bleibt fest entschlossen, Steuergelder sinnlos zu verplempern.

 

Ein weiteres Phänomen ist die willkürliche Auslegung der gesetzlichen Regelungen. Einer Schülerin wurde die Aufenthaltserlaubnis zunächst verwehrt, obwohl sie alle im Gesetz geforderten Anforderungen erfüllen konnte. Der akribische Sachbearbeiter hatte festgestellt, dass die Schülerin überdurchschnittlich viele Fehltage vorzuweisen hatte, weshalb er den schulischen Erfolg eigenmächtig in Frage stellte. Die Versetzung war deshalb aber niemals gefährdet, dem Gesetz also genüge getan. Um die Aufenthaltserlaubnis zu vereiteln oder den Menschen das Leben zumindest in schmerzhafter Weise zu erschweren, wird auch vor Rechtsbeugung nicht zurück geschreckt.

 

Ja, der Flüchtlingsrat hat Recht, der Weg zur Erlangung gesetzlich geregelter Leistungen für Flüchtlinge ist schwer, wenn die unwillige Behörde es verhindern kann. Nun war die Kreisverwaltung in Mettmann immer schon eher unwillig, daran hat auch eine etwas offenere Behandlung der Flüchtlingshilfeorganisationen nicht viel geändert. Wichtig ist immer das Ergebnis unterm Strich, und das ist nach wie vor häufig negativ.

 

Es ist keineswegs verwunderlich, dass sich das zuständige Ministerium in NRW (MKFFI) genötigt sah, am 19.03.2021 Anwendungshinweise zu veröffentlichen, die offenbar dazu dienen sollen, die Anerkennungssituation nach §25b zu verbessern. Es wird dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Integrationsleistungen der Geflüchteten adäquat berücksichtigt werden müssen, wobei insb. auf die Arbeitsverhältnisse und die Übererfüllung der Sprachanforderungen (gefordert ist A2) hingewiesen wird.

 

Was verleitet nun Ausländerbehörden dazu, gesetzliche Vorgaben derart restriktiv auszulegen oder sie gar zu missachten, dass das zuständige Ministerium sich zu einer solchen Klarstellung veranlasst sieht ? Ausschließlich Fremdenfeindlichkeit anzunehmen, wäre sicher zu einfach. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass, wie wir auch aus eigener Anschauung wissen, viele Verhaltensweisen der Behörde schlicht und ergreifen als schikanös bezeichnet werden müssen. Dazu gehört insbesondere das relativ einfach zu durchschauende Verschleppen der Vorgänge z.B. durch penetrantes Neuanfordern von Dokumenten.

 

Die ist aber ein Zustand, den wir in allen Behörden antreffen. Vom primitiven „nicht angekommen“ oder „nicht vollständig“ bis hin zu absurden Fristsetzungen (Verdienstbescheinigung für März bis zum 28. März einreichen, sonst Ärger). Eine Mitarbeiterin der Bezirksregierung weist ein von einer anderen Behörde beglaubigtes Dokument als „unleserlich“ zurück, eine Beschwerde an die Behördenleitung wird exakt von derselben Mitarbeiterin beantwortet und natürlich zurück gewiesen. Den Marsch durch die Instanzen braucht die Fremdenfeindlichkeit wohl nicht erst anzutreten, sie ist tatsächlich schon da.

 

Der Ansatz des Ministeriums ist zweifellos zu begrüßen, da nun die Antragsteller ein Instrument in Händen halten, mit dem sie sich gegen individuelle behördliche Missverhältnisse wehren können. Möglicherweise erhält auch der ein oder andere Mitarbeiter der Behörde einen noch fehlenden Hinweis über seine Aufgaben. Notwendig wäre es allerdings auch, die Motivlage in den Behörden zu untersuchen. Davor ist aber auch schon der Bundesinnenminister bei der Betrachtung des Polizeiapparats zurück geschreckt. Auf politischer Ebene hält man es wohl für besser, verschiedene Dinge gar nicht erst zu wissen. Dann erspart man sich das lästige Anlegen der rechtsstaatlichen Messlatte.

 

Frank Schöler