Horst lebt

 

Die Idee, Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU in Lagern aufzufangen und sie dann in Schnellverfahren möglichst wieder loszuwerden ist nicht neu. Sie wurde tatsächlich von unserem ehemaligen Heimatminister Horst Seehofer 2020 anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eingebracht. Damals übrigens waren die Grünen strikt dagegen.

 

Heute bedarf es keines Horst mehr, egal wer sich gerade zur Flüchtlingssituation äußert, ob Scholz oder Baerbock, ob Faeser oder Lindner. unterm Strich kommt immer Gauland raus. Die Aushöhlung unseres Asylrechts und damit auch unserer Verfassung, die in der Tat von Horst Seehofer während seiner Ministerzeit weit vorangebracht wurde, ist offenbar weitgehend akzeptiert. Flüchtlinge genießen weder ein Recht auf rechtsstaatliche Behandlung noch auf Wahrung der Menschenwürde.

 

Aber wie soll denn ein Außengrenzenverfahren praktisch überhaupt aussehen? Fest steht, dass Menschen, die an den EU-Außengrenzen aufgehalten werden, nicht in die EU eingereist sind. Sie können sich also auf keinen rechtsstaatlichen Schutz berufen, sondern begeben sich mehr oder weniger freiwillig in einen rechtsfreien Raum, das Auffanglager.

 

Dort wird zunächst selektiert. Kommen die Menschen aus einem sicheren Herkunftsland, dessen Definition noch angepasst oder weit ausgelegt werden kann, ist das schon ein Rückführungskriterium. Ob es dann Libyen, Sudan oder Tunesien ist weiß heute noch niemand. Noch kurioser ist die Heranziehung der Anerkennungsquote nach dem Herkunftsland. Ist diese gering, heute steht noch ein Wert von mind. 20 % im Raum (EU-Kommission 2020), wird das Verfahren ebenfalls als nicht aussichtsreich angesehen. Die Einzelfallprüfung ist somit abgeschafft, ein wichtiger rechtsstaatlicher Faktor z.B. des deutschen Asylrechts.

 

Nur diejenigen, die nach der ersten Selektion noch übrigbleiben, werden einem Schnellverfahren zugeführt und bis zu drei Monate interniert. Welche Rechtsgrundlage gelten wird, ist noch offen, die Europäische Asylagentur EUAA ist auf jeden Fall im Spiel. Die deutsche Regierung ist nun beileibe nicht das Hauptproblem, es gibt ja einige EU-Mitglieder, die überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen wollen und sich seit 2022 über den sog. „Solidaritätsmechanismus“ aus jeglicher Verpflichtung freikaufen können. Ein Land wie Ungarn könnte also z.B. etwas für die Errichtung der Auffanglager spendieren oder die libysche Küstenwache sponsern.

 

Dennoch leistet unsere Bundesregierung offenbar keinen Widerstand gegen die Planungen im Rahmen der EU-Zuständigkeit. Nachdem deutsche höchste Gerichte bereits in verschiedenen Fällen Maßnahmen, die aus der Horst-Ära resultieren, als verfassungswidrig erklärt haben, tut die Regierung vielleicht auch gut daran, die Zuständigkeiten nach außen zu verlagern. Vor uns liegt also ein weiteres „Horst reloaded“ (siehe Blogbeitrag vom 08. Oktober 2019).

 

Die Bundesregierung scheint schon fest damit zu rechnen, dass diese Maßnahmen, wie auch immer umgesetzt, greifen werden. Damit lassen sich die fehlenden Zusagen für finanzielle Zuschüsse an Länder und Kommunen erklären. Man rechnet offenbar damit, dass bald eh kein Flüchtling mehr den Weg über die deutsche Grenze schaffen wird. Und mit denen, die schon hier sind, müssen die fertig werden, die eben dafür zuständig sind, im Zweifel die Kommunen. Das wird natürlich die sich bereits ausbreitende Flüchtlingsaversion noch verstärken, Boris Palmer grüßt aus der Auszeit.

Frank Schöler