UNICEF sagt: Heime verletzen Kinderrechte

 

Ja, wir haben uns schon oft zur Situation von Kindern in Flüchtlingsheimen geäußert, für uns stand immer fest: Das Leben in Flüchtlingsheimen ist Kindeswohlgefährdung. Jetzt belegt das auch eine Studie von UNICEF (UNICEF Deutschland/Deutsches Institut für Menschenrechte, „Das ist nicht das Leben“ - Perspektiven von Kindern und Jugendlichen in Unterkünften für geflüchtete Menschen, Köln/Berlin: 2023).

 

In der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen in Heimen sind menschenwürdige Bedingungen nicht strukturell verankert, die Rechte der Menschen werden verletzt. Das ist das nicht allzu überraschende Fazit der Studie.

 

Für die Jugendlichen im Heim ist das Leben eine Art Warteschleife, am normalen Leben können sie nur bedingt teilnehmen. Eine der wenigen Teilhabemöglichkeiten ist der Schulbesuch. Viele andere soziale Begegnungen und Aktivitäten bleiben verwert, aus finanziellen Gründen oder der Isolierung im Heim. Besuche von Mitschülern z.B. sind mit Restriktionen belegt, in Langenfeld wacht die Security über den Zugang zu den Heimen.

 

Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes bemängelt weiterhin den langen Aufenthalt einiger Kinder in Unterkünften für geflüchtete Menschen. Er fordert Deutschland auf, Asylsuchende und geflüchtete Kinder bei der Zuweisung auf die Kommunen zu priorisieren und sicherzustellen, dass die Aufnahmeeinrichtungen kinderfreundlich sind (https://www.ohchr.org/en/treaty-bodies/crc). Das dies in der Praxis nicht geschieht, wissen wir alle.

 

Trauriger Höhepunkt in Langenfeld ist ein heute 8-jähriges Mädchen, das 2015 im Heim geboren wurde und heute noch dort lebt. Dieses Kind hat seine Kindheit verloren und wird nie ein normales Leben führen.

 

Bei Kindern und Heranwachsenden mit Heimhistorie sind Verhaltensauffälligkeiten oft zu beobachten, die Enge und Unpersönlichkeit der Wohnsituation muss an anderen Orten kompensiert werden. Daher kommt es auch häufiger zu Beschwerden aus der Schule wegen erhöhtem Bewegungsdrang. Aber auch außerhalb der Heime gibt es selten Gelegenheit zu Privatheit oder Geborgenheit. Im Heim bleibt nur das Zimmer, in dem man selten allein ist, da die gesamte Familie darin wohnt. Sanitäranlagen und Küchen müssen mit anderen Bewohnern geteilt werden.

 

Wir selbst haben die Situation von Heimkindern in Langenfeld während und nach der Corona-Pandemie selbst untersucht und eklatante Benachteiligungen festgestellt. Nur etwa ein Viertel der Befragten konnte am Online-Unterricht teilnehmen, nur 15%, erhielten Lehrmaterial, konnten die Betreuungsangebote der Schulen nutzen oder sich mit eigenen Mitteln helfen. Nur gut ein Drittel der befragten Schülerinnen und Schüler aus Heimen konnte während der Schulschließungen systematisch an Unterrichtsangeboten der Schulen teilnehmen.

 

In der Konsequenz fehlt es den Kindern und Jugendlichen oft an Ruhe, um sich beispielsweise auf die Hausaufgaben konzentrieren zu können oder ein Buch zu lesen. In der Studie tragen Jugendliche ab 14 Jahren sehr deutlich den Wunsch nach Rückzugsorten vor, um sich entspannen oder einfach für sich sein zu können. Dazu tragen natürlich auch die in den Unterkünften häufig nur gemeinschaftlich benutzbaren Sanitärräume und Küchen bei. Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch diese Art der Behandlung in Unterkünften häufig gedemütigt. Interessanter Weise werden auch die Hausmeister in den Unterkünften oft als Auslöser von Diskriminierung und unwürdiger Behandlung genannt.

 

Bedrückend ist zudem die im Allgemeinen spärliche bis spartanische Ausstattung der Räume. Familien belegen einen Raum mit vier oder mehr Personen und haben dabei oft nicht mal ausreichende Sitzgelegenheiten zur Verfügung. Es fehlen Aufbewahrungs-möglichkeiten und, für die Kinder besonders nachteilig, angemessene Lernorte mit Schreibtischen und guten Sitzmöbeln.

 

Als Schlafmöbel werden häufig Etagenbetten verwendet, welche oft instabil und mit zu dünnen Matratzen ausgestattet sind. Kinder erleiden somit auch körperliche Beeinträchtigungen.

 

Die Gestaltung der Räumlichkeiten ist nicht den Bewohnern überlassen, die spärlichen Möglichkeiten der Verschönerung der Wohnumgebung nach eigenen Vorstellungen wird den Bewohnern in der Regel nicht gestattet. Häufig fehlen Gemeinschaftsräume für Jugendliche komplett.

 

Die Wohnsituationen in Gemeinschaftsunterkünften sind weder kindgerecht noch wohnlich. Mit zunehmender Wohndauer erhöht sich die Unzufriedenheit und Frustration der Kinder und Jugendlichen. Eigener Wohnraum ist allerdings nur erschwert zu bekommen.

 

Unsere Beobachtungen in den Unterkünften in Langenfeld bestätigen die Ergebnisse der Studie. Erschwerend hier ist die besonders beklemmende Situation am Wohnungsmarkt sowie das Fehlen von Sozialwohnungen. In Langenfeld leben ca. 300 Personen in Heimen, die durch eigene Mittel oder Transferleistungen eine Wohnung beziehen könnten.

 

Frank Schöler